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Towards a European strategy to address the COVID-19 pandemic

This statement was originally published in The Lancet on 2021-08-09.

Authors: Viola Priesemann, Rudi Balling, Philippe Beutels, Sarah Cuschieri, Thomas Czypionka, Uga Dumpis, Enrico Glaab, Eva Grill, Steven Van Gucht, Pirta Hotulainen, Emil N. Iftekhar, Jenny Krutzinna, Christos Lionis, Helena Machado, Carlos Martins, Martin McKee, George N Pavlakis, Matjaz Perc, Elena Petelos, Martyn Pickersgill, Barbara Prainsack, Joacim Rockloev, Eva Schernhammer, Ewa Szczurek, Sotirios Tsiodras, Andre Calero Valdez, Peter Willeit,

Der Rückgang der COVID-19-Inzidenz in ganz Europa im Frühjahr 2021 führte trotz des Auftretens und der Verbreitung der übertragbareren Delta-Variante zu einer deutlichen Lockerung der Beschränkungen im Sommer. Wie erwartet, führte dies zu einem erneuten Anstieg der Inzidenz. Wie sollte Europa handeln, welche Strategien sollte es verfolgen und welche spezifischen Risiken sollte es in Zukunft in Betracht ziehen?1 Diese Fragen sind umso dringlicher, als neue Daten darauf hindeuten, dass die Delta-Variante infektiöser ist und sich teilweise der Immunantwort entzieht. Europa braucht eine kohärente und wirksame Strategie, bevor Schulen wieder vollständig geöffnet werden und die Übertragung von SARS-CoV-2 aufgrund der Saisonalität im Herbst weiter zunimmt.

Es werden zwei gegensätzliche Strategien analysiert: 1. Eine rasche Aufhebung der Beschränkungen in der Annahme, dass eine mögliche hohe Inzidenz dank Immunisierung nicht zur Überlastung der Gesundheitssysteme führt; und 2. Eine schrittweise Aufhebung der Beschränkungen im Tempo des Impffortschritts mit dem Ziel niedriger Inzidenzen, denn niedrige Inzidenzen erleichtern die Eindämmung durch Testen und Kontaktnachverfolgung.2,3

Beim derzeitigen Impfstand (August 2021) kann die erste Strategie zu einer Inzidenz von mehreren hundert Infektionen pro 100.000 Menschen und Woche führen, während die zweite Strategie auf Kontaktnachverfolgung basiert und daher eine Inzidenz von deutlich unter hundert erfordern würde. Eine solche Diskrepanz stellt die europäische Zusammenarbeit vor Schwierigkeiten. Denn eine hohe Inzidenz in einem Land kann sich auf ein Nachbarland mit niedrigen Infektionszahlen ausweiten. Aus diesem Grund wurden bereits vor einiger Zeit Test- und Quarantäneauflagen für Reisende und Pendler:innen eingeführt. Diese Einschränkungen bremsen die Wirtschaft und beeinträchtigen das soziale Zusammenleben. Gleich welche der beiden Strategien man wählt: Sie sind nur dann effektiv, wenn die europäischen Länder sich auf eine gemeinsame Strategie einigen, wofür es höchste Zeit ist. Kein Land kann die Pandemie alleine effektiv bekämpfen. 

Um jedoch internationale Reisen zu erleichtern, wurde das Digitale Covid-Zertifikat der Europäischen Union für geimpfte Personen eingeführt. Allerdings kann kein COVID-Impfstoff die Übertragung des Virus vollständig verhindern. Daher sollte die Übertragung von Virusvarianten durch geimpfte Personen auch über Grenzen aufmerksam beobachtet werden.4 Dies erfordert nicht zuletzt die Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Strategie für Tests bei Reisenden und Pendler:innen.5

Die Vorteile einer niedrigen Inzidenz sind lange bekannt. Zu ihnen gehören unter anderem (1) eine verringerte Mortalität, Morbidität und Long-COVID, (2) die Solidarität mit den noch nicht geschützten Personen, (3) ein niedrigeres Risiko, dass sich neue Varianten entwickeln und ausbreiten und (4) eine effektivere Eindämmung durch Testen und Kontaktnachverfolgung. Außerdem muss (5) weniger Personal auf Grund eigener Infektion oder Kontakt mit einer infizierten Person in Quarantäne und Isolation und (6) eine niedrige Inzidenz ist die beste Garantie, dass Schulen und Kindertagesstätten während der kommenden Herbst-Winter-Saison geöffnet bleiben.6 Zu guter Letzt könnte eine hohe Inzidenz Krankenhäuser und Intensivstationen in einigen Ländern immer noch an die Grenzen bringen. 

Eine derzeit noch unzureichende Durchimpfung in vielen Ländern Europas sowie Unklarheiten bei der Impfung von Kindern sind weitere wichtige Faktoren. Daher empfehlen wir, dass alle europäischen Länder gemeinsam eine niedrige Inzidenz anstreben und halten - zumindest bis alle die Möglichkeit hatten, sich impfen zu lassen. Eine hohe Inzidenz in einem Land gefährdet die Pandemiebekämpfung in anderen Ländern Europas und der ganzen Welt, insbesondere solange auch die Impfungen in vielen außereuropäischen Ländern noch kaum verfügbar ist. Insofern ist es ein Akt der Solidarität, die Inzidenzen niedrig zu halten, und das wird für uns in Deutschland mit jeder Impfung einfacher.

Derzeit stehen Staaten und die Gesellschaft noch vor einigen weiteren Herausforderungen: (1) Impfungen müssen für alle leicht verfügbar und zugänglich sein, jedoch verzögert Impfskepsis derzeit den Impffortschritt; (2) es existiert die weit verbreitete falsche Annahme, dass die Freiheit maximiert würde, wenn man eine hohe Inzidenz ignoriert. Jedoch erleichtert eine niedrige Inzidenz die Eindämmung der Pandemie, und wahrt damit die Freiheit aller, einschließlich der gefährdeten Personen; und (3) es fehlt eine kohärente Pandemiereaktion und Kommunikationsstrategie. 

Das wahrgenommene Risiko, die Motivation und das Wissen über den Zweck der Maßnahmen sind wichtige Voraussetzungen dafür, dass Menschen diese einhalten und sich schützen. Das Vertrauen der Öffentlichkeit muss daher durch rechtzeitige, klare, konsequente und zuverlässige Kommunikation weiter gefördert werden, einschließlich einer systematischen Bekämpfung von Falschinformationen.

Die Pandemie ist zwar noch nicht überwunden, aber ihr Ende ist vorstellbar: Die Eindämmungsmaßnahmen können aufgehoben werden, sobald eine hohe Durchimpfungsrate erreicht ist und die Impfstoffe auch weiterhin hochwirksam gegen neue Varianten sind. Bis dahin sollte es jedoch das Ziel ein gemeinsames europäisches Vorgehen sein, um die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kosten für Europa und die Welt so gering wie möglich zu halten.

Anhang

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Eine interaktive Excel-Tabelle für die Berechnung von Intensivstationsaufnahmen kann hier heruntergeladen werden.

References